Das P-Seminar „Leichte Sprache“ war zu Besuch beim Soziologen Prof. Dr. Dieter Kulke an der Technischen Hochschule für Angewandte Wissenschaften (THWS).

Erzählende Texte in leichte Sprache übersetzen – das hat sich das Projektseminar  Deutsch vorgenommen, und zwar gemeinsam- inklusiv – mit einem kleinen Team von Bewohnerinnen und Bewohnern der Arche Behindertenhilfe in Würzburg. Unsere Projektpartner haben verschiedene Einschränkungen bzw. Beeinträchtigungen: Bewegungsstörungen und Muskelsteife, Epilepsie oder das Downsyndrom. Wenn sie uns im Rahmen der Projektarbeit am MGG besuchen, dann im Rollstuhl und auch mit unterstützenden Assistenten.

Um Inklusion zu erreichen, muss es Raum für Begegnungen geben. Nur so können wir unser Bewusstsein schärfen für die Belange von Menschen mit Behinderung: Indem wir Kontakte knüpfen und uns informieren.

Wir erfuhren von Prof. Kulke, dass in Deutschland das Bundesteilhabegesetz dafür sorgt, dass Menschen mit Behinderung selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Grundlage dafür bildet die UN-Behindertenrechtekonvention, die 2006 von der UNO-Generalversammlung beschlossen wurde und in Deutschland 2009 in Kraft trat. 2023 hat eine Prüfung der Vereinten Nationen klar gemacht, dass Deutschland noch nicht genug tut, um seine menschenrechtlichen Verpflichtungen aus der Behindertenrechtskonvention zu erfüllen. V.a. gibt es bei uns ein hochentwickeltes System von Sonderstrukturen. Das sieht man z.B. am bayerischen Bildungsbereich: Verschiedene Förderschultypen bieten einen sonderpädagogischen Unterricht an, der speziell auf die jeweiligen Beeinträchtigungen / Behinderungen zugeschnitten wird.

Das Verständnis von dem, was als Behinderung definiert wird, unterliegt Wandlungsprozessen. Man bezeichnet diese unterschiedlichen Sichtweisen als Modelle und die stellte uns Prof. Kulke ebenfalls vor: V.a. früher betrachtete man Behinderung als ein individuelles Problem einer Person, deren Körper, Geist oder Psyche nicht so funktioniert, wie es als „normal“ gilt. Diesem Problem wird mit Therapien, Operationen, aber auch mit Sonder-Einrichtungen und SonderBeschulung begegnet.

Das soziale Modell sieht Behinderung nicht als ein Ergebnis einer medizinischen Schädigung, sondern als Ergebnis einer sozialen Fehlorganisation. Nach diesem Modell ist es die Gesellschaft, die aufgrund behindertenfeindlicher Einstellungen oder fehlender Barrierefreiheit Menschen mit Funktionseinschränkungen zu behinderten Menschen macht.

Das Kulturelle Modell stellt die menschliche Vielfalt und die Akzeptanz der gesellschaftlichen Verschiedenartigkeit ins Zentrum. In der Öffentlichkeit und den sozialen Medien zeigt sich das z.B. in der Disability Pride-Bewegung oder den Paralympics.

Im juristischen Sinne (§ 2 I Satz 1 SGB IX) versteht man Behinderung nicht als Eigenschaft und Defizit einer Person, sondern als ein Zusammenspiel von einer langfristigen gesundheitlichen Einschränkung (körperlich, seelisch, geistig oder sinnlich) und von Umweltfaktoren: Das können bauliche oder technische Barrieren sein oder Barrieren durch Benachteiligungen und Diskriminierungen und Ableismus.

Eine Barriere stellt auch die Sprache dar. Die sogenannte Leichte Sprache ist dagegen speziell geregelt und erleichtert das Verstehen von Texten. Und genau hier will unser Projekt ansetzen: Inklusion bedeutet, dass sich die Struktur den individuellen Bedürfnissen eines Menschen anpasst. Deshalb wollen wir Leichte Sprache lernen und gemeinsam mit unseren Projektpartnern ein inklusives Lese-und Literaturprojekt gestalten.

Dabei unterstützen uns viele externe Referenten: Neben Prof. Dr. Kulke auch Frau Prof. Dr. habil. Heike Jüngst von der Fakultät Angewandte Natur- und Geisteswissenschaften an der THWS und Frau Elena Husel vom Büro für Leichte Sprache der Lebenshilfe e.V. in Würzburg. Und am wichtigsten ist natürlich unser Partnerteam bestehend aus vier BewohnerInnen des Wohnpflegeheims der Arche gGmbH am Heuchelhof mit dem Dipl. Heilpädagogen Florian Nüßlein: Auf unsere gemeinsamen regelmäßigen Treffen sind wir schon sehr gespannt.

Wie unser Projekt weitergeht, darüber werden wir regelmäßig berichten.

Wir danken Prof. Dr. Kulke, dass er sich Zeit für uns genommen hat und mit seinem Vortrag an der THWS die ersten wichtigen theoretischen Grundlagen für unsere weitere Arbeit gelegt hat.

Kerstin Baumeister

Fotos: Jule Mueller, THWS